Theater 1983 am LMG


Figaro lässt sich scheiden

von Ödön von Horvath

Programmheft zur Theateraufführung des Lise-Meitner-Gymnasiums

INHALT

Ödön von Horvath - Biographische Notizen

Stimmen zu Ödön von Horváth

Inhaltsangabe zu "Figaro lässt sich scheiden"

Kommentar zum Stück

Besetzung

Stab

Prager Presse zur Uraufführung

über Friseure

Nachdenken über Ödön von Horvath     

WIR

Vorschau

Impressum

Artikel, Zusammenstellung von Texten: Stephanie Kratz Layout/V.i.S.d.P.: Ralf Bäselt/Jochen Fleuchaus

Biographische Notizen zu Ödön von Horváth

Ödön von Horváth ist im Jahre 1901 bei Fiume an der Adria geboren. Sein Vater war als ungarischer Diplomat tätig und erst 1912 übersiedelte die Familie Horváth nach Deutschland. Nachdem er mit 14 Jahren den ersten deutschen Satz geschrieben hat, beginnt er 1919 in München mit dem Studium der Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaften. Schon 1920 entsteht sein erstes literarisches Werk, eine intensive Schreibperiode beginnt. Bruder Lajos berichtet: "Er schreibt unheimlich viel. Das meiste hat er aber gleich wieder vernichtet. Er war über­haupt recht unglücklich, fast mit allen Dingen, die er geschrieben hat." Während dieser Zeit lernt er Berthold Brecht kennen, der auf den jungen Horváth großen Eindruck macht, wenn nicht sogar Einfluss nimmt. Ende 1924 geht Horváth nach Berlin. Diese Stadt bietet den Schriftstellern der zwanziger Jahre Stoff, wie keine andere in Deutschland: Zeitgeschichte, Atmosphäre, gesellschaftliches Bewusstsein, Alpträume der Weimarer Republik. Sie ist die Hauptstadt der deutschen Dramatik. In seiner Berliner Zeit entstehen u.a. die sogenannten "Volksstücke", für die er auf Vorschlag von Carl Zuckmayer den Kleist-Preis erhält, den damals angesehensten deutschen Literaturpreis.

Aufgrund des scharfen Konflikts Horváths mit den Nationalsozia­listen verlässt er 1933 Berlin und fährt nach Wien. Von da an hält er sich bis zu seinem frühen unerwarteten Tod hauptsächlich in Österreich auf. Diese Jahre sind von ruheloser literarischer Produktion erfüllt (u.a. ein Stück über den Nationalsozialismus "Hin und Her"). Am 1. Juni 1938, also schon mit 37 Jahren, wird er von einem durch ein Gewitter umstürzenden Baum erschlagen.

Sein Werk

Horváth ist das, was man einen "ungemütlichen" Schriftsteller nennt. Diese Tatsache hat bis heute seiner Popularität im Wege gestanden. Seine Aufgabe als Dichter sah er nicht in der poetischen Verklärung, sondern in der Desillusionierung, der Demaskierung des Klein- und Spießbürgers. Seine Werke waren immer von politischer Auseinandersetzung mit seiner Zeit geprägt. Doch versuchte er nicht - wie Brecht - "Lehrstücke" zu verfassen, es ging ihm nicht um die Veränderung, sondern um die Aufdeckung der Gesellschaftszustände.

Man wird Horváth jedoch nicht gerecht, wenn man ihn nur als gesellschaftlich engagierten Schriftsteller betrachtet; er beschäftigt sich immer wieder mit dem Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Persönlichkeit und Allgemeinheit. In seinen Spätwerken - zu denen auch "Figaro lässt sich scheiden" gehört - , nimmt dieses Thema - die verzweifelte Lage des Einzelmenschen in einer von Prinzipien beherrschten Gesellschaft - immer mehr Raum ein. Horváths bekannteste Werke sind die Theaterstücke "Glaube Liebe Hoffnung", "Die Unbekannte aus der Seine", Don Juan kommt aus dem Krieg"; die Volksstücke "Geschichten aus dem Wiener Wald" und "Italienische Nacht"; außerdem die Romane "Der ewige Spießer" und "Ein Kind unserer Zeit".

Stimmen zu Ödön von Horváth

Carl Zuckmayer:

Horváth scheint mir unter den jüngeren Dramatikern die stärkste Begabung und darüber hinaus der hellste Kopf, die prägnanteste Persönlichkeit zu sein. Seine Stücke sind ungleichwertig, manchmal sprunghaft und ohne Schwerpunkt. Aber niemals wird sein Ausdruck mittelmäßig - was er macht, hat Format -und sein Blick ist eigenwillig, ehrlich, rücksichtslos ... Es ist anzunehmen, dass er der dramatischen Kunst, die immer ohne Einschränkung eine Kunst der Menschen- und Wortgestal­tung bleibt, neue lebensvolle Werte zuführen wird.

Anlässlich der Verleihung des Kleistpreises an Horváth

Wilhelm Emrich:

Ein Autor, der zum Nachdenken, zum genauen Hinsehen zwingt, der jede seiner dramatischen Figuren ganz ernst nimmt, ohne sie zu fixieren, zu satirisieren, zu parodieren, mit fasslichen Etiketten zu versehen und ohne ihnen irgendeine These oder Weltanschauung aufzukleben ...

In: Horváth, "Stücke", Nachwort 1961

Peter Handke:

Horváth ist besser als Brecht. Ich ziehe Ödön von Horváth und seine Unordnung und unstilisierte Sentimentalität vor. Die verwirrten Sätze seiner Personen erschrecken mich, die Modelle der Bösartigkeit, der Hilflosigkeit, der Verwirrung in einer bestimmten Gesellschaft werden bei Horváth viel deutlicher. Und ich mag diese irren Sätze bei ihm, die die Sprünge und Widersprüche des Bewusstseins zeigen, wie man das sonst nur bei Tschechow und Shakespeare findet.

1968

Franz Xaver Kroetz: Hier muss ich besonders hervorheben: Horváth hatte ein einmaliges Verantwortungsbewusstsein seinen Figuren und damit dem Theater gegenüber. Theater soll politisch sein, es muss es sein, denn es spielt vor Volk und es zeigt Volk, und das ist ein Vorgang, der eminent politisch ist. Hier hat Horváth vorbildlich gearbeitet: er denunziert seine Figuren nicht, er glorifiziert nicht: er praktiziert ... Horváths Stücke sind, zumindest im Augenblick, eben politischer und wegweisender für die neue Dramatik als die Brechts.

In: "Theater heute", Dezember 1971

Inhaltsangabe zu "Figaro lässt sich scheiden"

Diese Komödie in drei Akten spielt einige Zeit nach der Hochzeit des Figaro. Graf Almaviva, die Gräfin, Figaro und Susanne fliehen vor der Revolution. Der Graf beklagt sich noch im Grenzwald über die Ungerechtigkeit des "gleichen Rechts für alle", bis sie schließlich zur Grenzwache gebracht werden. Dort werden sie von einem Offizier auf ihre Gesinnung zur Revolution überprüft. In der darauffolgenden Szene sieht der Zuschauer die vier Flüchtlinge drei Monate später in einem der "schönsten Winterkurorte der Welt" wieder. Figaro eröffnet Susanne und dem Grafen, dass er kündigen wolle. Sein Wunsch, sorglos in die Zukunft zu schauen und wieder ein geordnetes Leben zu führen, besiegt Susannes Treue zur Herrschaft. Sie gehen beide zusammen nach Großhadersdorf und eröffnen einen Friseursalon, der sich bald zum bestrenommierten in der Umgebung entwickelt. Zu Beginn des zweiten Aktes bedient Susanne den Forstadjunkten, der sich Ihr im Laufe der Szene immer mehr annähert und, bevor er geht, die Drohung ausspricht: "Dich krieg ich noch!"
Auf den Rat der Hebamme des Dorfes eröffnet Susanne Figaro, nachdem er Ihr seine "Freiheit zu heucheln" der Kundschaft gegenüber aufzwingen wollte, dass sie ein Kind von ihm erwarte, In der Hoffnung, dass diese Notlüge zur Wahrheit würde. Doch als Figaro das Kind als Unglück bezeichnet, gesteht sie ihm die Wahrheit. Es kommt zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf Susanne Figaro als Spießer bezeichnet. In der nächsten Szene erfährt der Zuschauer durch die inzwischen verarmte Herrschaft, die einen Brief von Susanne bekommen hat, von deren Scheidung.

Der Ort wechselt, man findet sich im Lande der Revolution wieder, auf dem ehemaligen ländlichen Herrensitz des emigrierten Grafen Almaviva. Figaro kehrt zurück und übernimmt das Amt des Schlossverwalters, das vorher Pedrillo, der ehemalige Reitknecht des Grafen, innehatte. Die "aus Liebe begangenen Emigrationssünden" wurden Figaro verziehen und nun hat er sich der "menschlicher gewordenen" Revolution verschrieben. Susanne hingegen arbeitet als Kellnerin in einem kleinen Emigrantenlokal bei Cherubin, dem ehemaligen Pagen am Schloss. Der Graf hat inzwischen wegen Veruntreuung im Gefängnis gesessen und die Gräfin ist an der Grippe gestorben. Als Susannes Arbeitserlaubnis abläuft, entschließt sie. sich mit dem Grafen zum Schloss zurückzukehren, wo Figaro als Schlossverwalter auf sie wartet. Der Graf wird verhaftet, doch durch den Einfluss Figaros wieder freigelassen. Für Susanne ist seine Verhaltensweise der Beweis für die angekündigte Änderung seines Charakters.

Die Komödie endet mit dem Satz Figaros:

"Jetzt erst hat die Revolution gesiegt, indem sie es nicht mehr nötig hat, Monarchen in den Keller zu sperren, die nichts dafür können, ihre Feinde zu sein."

Kommentar Horváth zu "Figaro lässt sich scheiden":

Die Komödie "Figaro lässt sich scheiden" beginnt einige Jahre nach Beaumarchais "Hochzeit des Figaro". Trotzdem habe ich es mir erlaubt, das Stück in unserer Zeit spielen zu lassen, denn die Probleme der Revolution und Emigration sind erstens: zeitlos, und zweitens: in unserer Zeit besonders aktuell. Unter der in dieser Komödie stattfindenden Revolution ist also nicht die Französische von 1789 gemeint, sondern schlicht nur eine jegliche Revolution, denn jeder gewaltsame Umsturz lässt sich in seinem Verhältnis zu dem Begriff, den wir als Menschlichkeit achten und missachten, auf den gleichen Nenner bringen. In der "Hochzeit des Figaro" wetterleuchtet die nahe Revolution, in "Figaro lässt sich scheiden" wird zwar voraussichtlich nichts wetterleuchten, denn die Menschlichkeit wird von keinen Gewittern begleitet, sie ist immer nur ein schwaches Licht in der Finsternis. Wollen es immerhin hoffen, dass kein noch so starker Sturm es auslöschen kann.

Benno von Wiese zu "Figaro lässt sich scheiden":

Die Komödie "Figaro lässt sich scheiden" behandelt zwar die Probleme der Revolution, nicht so sehr der französischen, sondern der Revolution in einem zeitlosen Sinne, aber das Schwergewicht liegt auf der Menschlichkeit, die sich noch nicht gegen jede Form von Ideologie, sei sie nun revolutionär oder konterrevolutionär, zu behaupten hat. Eine Verherrlichung des revolutionären Klassenkampfes ist dieses Stück gewiss nicht. Im chao­tischen Gegen- und Durcheinander von absteigendem Adel, demostiziertem Bürgertum und vorübergehend nach oben gelangtem Proletariat sucht Horvath die un- und überpolitische Position der rein menschlichen und damit für ihn auch sittlichen Bewährung durchzuhalten. Ein geläuterter, durch mancherlei Wandlungen hindurchgegangener Figaro spricht sie am Ende zum geretteten Grafen Almaviva in einer keineswegs ironisch gemeinten Weise aus: "Jetzt erst hat die Revolution gesiegt, indem sie es nicht mehr nötig hat, Menschen in den Keller zu sperren, die nichts dafür können, ihre Feinde zu sein."

Benno von Wiese: Ödön von Horvath, 1975

Suhrkamp, Frankfurt/m., S. 34

Personen und ihre Darsteller:

Graf Almaviva

Zoltan

Budai

Die Gräfin, seine Frau

Nicole

Rubinstein

Figaro, Kammerdiener des Grafen

Christopher

Schmidt

Susanne, dessen Frau, Zofe

Anne

Pleis

Vier Grenzbeamte

Martina

Richter

Marion

Winter

Iris

Lehnemann

Katja

Reichling

Offizier

Marcus

Choinka

Ein Arzt

Stephan

Ruser

Ein Forstadjudant

Andreas

Pfitzer

Hebamme

Dina

Spiegel

Hauptlehrer

Grischa

Wenzeler

Eine Magd

Marion

Winter

Antonio, Schlossgärtner

Robert

Issel

Pedrillo, sein Schwiegersohn

Ralf

Bäselt

Fanchette, dessen Frau

Anja

Riegel

Wachtmeister

Claudius

Thomas

Wache

Martina

Richter

Katja

Reichling

Cherubin, ehemaliger Page

Jochen

Fleuchaus

Ein Gast

Birgit

Zimmermann

Kommissar

Grischa

Wenzeler

Carlos, Findelkind

Alfredo G.

Gonzales

Maurizio

Axel

Schneider

Kindergärtnerin

Stephanie

Kratz

Kinder

Klasse

5a

Wir legen nach dem 5. Bild eine Pause von 15 Minuten ein.

Stab:

Bühnenbild:

Gudrun

Iris

Katja

Anja

Birgit

Susanne

Krüger-Brück

Lehnemann

Reichling

Riegel

Zimmermann

Schmelter

Beleuchtung:

Wilfried

Ralf

Robert

Gerwinn

Bäselt

Issel

Ton:

Ralf

Robert

Bäselt

Issel

Maske:

Miriam

Heidrun

Khan

Fammler

Plakat:

Christopher

Schmidt

Souffleuse:

Katrin S.

Langfeld

Aufführungsrechte:

Thomas Sessler-Verlag, Wien

REGIE:

Horst

RIEMENSCHNEIDER

Prager Presse zur Uraufführung am 2. April 1937:

"Horváths Dialog ist freimütig und geistreich, die Gliederung der drei Akte in acht Bildern der wohl beabsichtigen Filmwirkung gemäß, das Dichterische (...) tritt vor allem dort in Erscheinung, wo die Beaumarchais-Mozartschen Figuren sich ihrer Figürlichkeit bewusst werden, ihres typischen Daseins im Jahrhunderte langen Zeitablauf, und jener abgelebten Zeit gedenken, in denen sie zum ersten Mal menschlich zu existieren anhüben. Das Politische - explosivster Diskutierstoff - wird dichterisch­menschlich angefasst, also auch soziologisch und pädagogisch (Mutterschaft, Kindererziehung in friedloser Zeit).

Die Revolution, die Grafen und Dienerpaar aus durchaus verschiedenen Gründen in die Emigration treibt, wird ungetrübten Blicks betrachtet. Allerdings eine recht neutralisierte, maßvoll typisierte Revolution, gleichsam mit Distanzkritik betrachtet. Die eigentliche Kritik gilt dem Allgemeinmenschlichen, wie es sich auf politischem Gebiet hüben wie drüben, bei den Radikalen sowohl freiheitlicher als auch reaktionärer Observanz, im Umsturzepochen wie am Biertisch offenbart. Horváths Anti-Bekenntnis gilt dem Untermenschtum ohne Unterschied der politischen Färbung. Indem er der überpolitisierten Menschheit in Erinnerung bringt, dass die Welt im Menschen anfängt, bekennt auch er sich zur Politik - zur Politik der Menschlichkeit. Dass er die Form von Scherz, Satire und Ironie wählt, ist für ihn als Bühnendichter der richtige Weg, um die Diskutierenden zur Erkenntnis der tieferen Bedeutung seines anmutigen Spiels zu bewegen."

Ein Friseurgespräch- und kleine Wahrheiten" über den Friseurberuf:

Giacomo, Friseur, über seine Kollegen:

"Man hat Opern über uns geschrieben, Theaterstücke: "Der Babier von Sevilla", "Die Hochzeit des Figaro". Unser Berufsstand ist nicht wegzudenken in seiner Bedeutung für die Kunst."

oder:

"Napoleon hat gesagt, erst durch die Zunft der Barbiere sei die französische Revolution möglich geworden."

Doch nun die "kleinen Wahrheiten" aus dem Selbststudium des Friseurwesens:

Bei den Römern entsprach die tägliche Rasur den aktuellen Anforderungen der Mode. Doch sie verließen den Rasierstuhl meist mit zahlreichen Schrammen und Schnitzen. Also musste ein guter Barbier, um seine Geschäftsgrundlage zu sichern, auch etwas über die Kunst des Blutstillens wissen. Der Umgang mit Blut ließ die Barbiere im Laufe der Zeit zu Magiern der Medizin werden. Man konsultierte sie sogar beim Aderlass. Neben ihren Aufgaben als Friseure, Arztgehilfen und Hilfschirurgen waren sie auch Strohgutmacher und Seifensieder. Ihr Umgang mit schmuddeligem, in die Nähe von Hexenwerk gerücktem Wissen ließ sie als schludernde Figuren erscheinen. Sie galten als unehrlich und deshalb als nicht gesellschaftsfähig. Das Zunftzeichen - eine rot und weiß spiralig bemalte Stange - erinnert an die blutige Praxis seiner Profession. Denn es war auch üblich, dass die Barbiere an den medizinischen Fakultäten Leichen sezierten. Erst die physiologischen Erkenntnisse des 19. Jahrhundert haben diesen Bräuchen ein Ende gesetzt:

Die Barbiere beschränkten ihre Aufgabe auf das, was wir heute als ihre eigentliche Domäne ansehen.

Solche Geschichten hat Giacomo unterschlagen! FAZIT:

"Friseurgespräche sind einzig und allein der unwiderlegbare Beweis dafür, dass die Köpfe der Haare wegen da sind."

Wir danken dem Spezial-Herren-Salon Jacky Nowatzki, Derendorfer Straße 4, für seine freundliche Unterstützung.

Nachdenken über Ödön von Horváth

Ödön von Horváth wäre 1971 siebzig Jahre als geworden. Er wurde es nicht. Denn er starb, 36 Jahre alt, in Paris, auf den Champs-Elysees; das meint: den elysischen Gefilden. Ein Unwetter fällte einen Baum, der Baum fällte ihn.

Gezeiten Horváths: Ein erfolgreicher Autor einst; dann verfemt; dann vergessen; dann ein Geheimtipp; und heute eine theatralische Sendung Spielpläne, Doktoranden und Regisseure heftig bewegend, und jüngst gar einen eigens ihm gewidmeten Kongress, den die Akademie der Künste einberufen hat. Und schon rührt sich's hier und da und wagt das kaum zu Wagende: ihn, den ungarisch geborenen Edelmann und deutschen Dichter, für größer zu erklären als den armen, den großen B.B. (Berthold Brecht)

Leben: das Stichwort provoziert den eigentümlichen Tod des Dichters. Horváth starb seinen eigenen, einen Horváth-Tod. Ein Vorfall, ebenso absurd wie bestimmt von zwanghafter Deter­mination. Der Flüchtling, ver­stoßen von den Deutschen in der Mitte seines Lebens und unruhevoll umherstreifend in den Ländern des noch freien Europa, macht Station, zwischen Holland und Zürich: in Paris, Geschäfte halber. Wird an einem heißen Frühsommertag überrascht von einem Gewitter und sucht den Schutz eines Baumes, der ihm zum Henker wird. Das war am 1. Juni 1938 abends. Es traf ihn auf der Straße - Straßen hatte er gefürchtet und die Angst der Menschen vor dem Wald für weni­ger verständlich gehalten. Ober den Dichter Horváth nachdenken heißt, über seine Sprache nachdenken. Scheinbar eine banale Feststellung, da doch allen Dichtens Medium die Sprache ist.

Bei Horváth aber liegt es anders  vertrackter auf eine faszinierende Weise. Was er zu sagen hat, sagt er nicht durch die Sprache, sondern in der Sprache. Die Art seiner Gestalten sich auszudrücken, ist identisch mit ihrer Art zu sein. Wenn je das Schlagwort zutraf, so hier: The medium is the message. Diese Sprache hat doppelten Boden. Wer ihre freundlich polierte Oberfläche betritt, bricht ein. Was sich auf den ersten Blick als dem Volke abgehörte Alltäglichkeit darbietet, erweist sich als Demonstration eines nackten Menschenlebens. Menschenleben, nicht nur aus Schöpfers Hand gefallen, sondern auch aus der seiner Geschöpfe. Menschen, deren unsagbares Elend, deren Einsamkeit und Verlorensein nicht nur ein Zeitbild wirtschaftlicher Krisenjahre liefert, sondern eine Anthropologie.

Der miserable Zustand dieser Menschen manifestiert sich im Verlust ihrer Sprache, des eigentlichen humanen Mediums also. Nicht dass sie schwiegen, schlimmer: sprechend sind sie stumm. Insofern als sie sich einer übergestülpten, einer höchst attistischen Plastiksprache bedienen: eines "Jargon der Uneigentlichkeit".

Peter Wapneski, F. Rundschau 1971

Wir

Wir haben unser Versprechen, unsere Arbeit gehe weiter, gehalten: Nach gut einem Jahr sind wir von der Theater-AG wieder soweit; es ist wieder Premierenzeit!

Nach "VaterMutterKind" vom Gripstheater, "Romulus der Große" von Dürrenmatt und "Der Hofmeister" von J.M.R. Lenz, ist "Figaro" unser viertes Theaterstück, was wir unter Leitung von Herrn Riemenschneider aufführungsreif gemacht haben.

Wir, das sind 30 Schüler (Klasse 5 - 13) und Lehrer mit den unterschiedlichsten Begabungen und aus den unterschiedlichsten Fachgebieten. Der Erfolg vor einem Jahr beim 25-jährigen Schuljubiläum hat uns Mut gemacht weiterzuarbeiten.

Doch auch diesmal stellte sich die Stückwahl als schwerwiegendstes Problem heraus: 30 verschiedene, meist nicht sehr konkrete Vorstellungen von Theater zu verbinden, war nicht einfach. Doch auch diesmal haben wir es geschafft, ein Theaterstück in Szene zu setzen, trotz immer wieder auftretendem Zeitmangel, denn für die Schauspieler! und Kulissenbauer bedeutet die Theaterarbeit oft nach neun Stunden Schule noch drei weitere zu bleiben und dann endlich nach; Hause zu gehen, um etwas für die Schule - nämlich Schularbeiten" - erledigen zu können- Besonderen Dank gilt den Schülern der Jahrgangsstufe 13, die erst vor ein paar Tagen ihr Abitur abgeschlossen haben. Doch auch ein großes Erfolgserlebnis wurde uns beschert: Wir stellten nämlich fest, dass wir die Probleme der Darstellung und Lautstärke auf der Bühne etwas schneller in den Griff bekamen als im vorigen Jahr.

Übung macht den Meister!!! Die Arbeitsatmosphäre war wieder toll; denn Schule kann Spaß machen, wenn Arbeit freiwillig ohne Noten geleistet wird. Zum Schluss auch dieses Jahr das Versprechen: unsere Arbeit geht weiter. Doch sie geht nicht erst nach dem 17. Mai weiter: die Proben­arbeiten für« unser nächstes" Stück, das in enger Beziehung zu der heutigen Aufführung steht, laufen schon seit zwei Monaten. Figaros Hochzeit" wird es sein, bei dem Sie im September Wiedersehen mit vielen Darstellern feiern können, doch auch mit anderen von früheren Aufführungen.

Also, viel Spaß heute Abend - BIS SEPTEMBER!!!

SUNSANNE-SONG VON CHERUBIN

Susanne, ich hab dich lieb, Susanne, der Maientrieb Treibt mich hin zu dir, Weit weg von mir. Susanne, ich hab dich lieb Der Frühling tut's mir kund: Susanne, mein Herz ist wund. Mein Blut ruft nach dir Drinnen in mir Susanne, ich hab dich lieb Susanne, mein Auge bricht. Ich sehe Himmelslicht. Im Tod noch denk ich dein, Dank dir für alle Pein Susanne, ich, hab dich lieb!


Hochzeit des Figaro

Pierre de Beaumarchais - geboren am 24.1.1732 in Paris, 1799 dort gestorben - schrieb eine Trilogie über die Familie Almaviva, an deren zweiten Teil "Figaros Hochzeit" - bekannt durch Mozarts Oper - Ödön von Horváths "Figaro lässt sich scheiden" anknüpft.

Auch bei "Figaros Hochzeit" handelt es sich im gewissen Sinne um ein revolutionäres Stück: Noch nie vorher in der Literaturgeschichte wurde das Schicksal von Adligen und Unterschicht so stark verknüpft; sie lachen und weinen miteinander; die Standesunterschiede werden verschwindend klein.

Aus dem Vorwort von Beaumarchais zu "Figaros Hochzeit":

Laster, Missbrauch und Willkür ändern sich nicht, sondern verstecken sich unter tausend Formen hinter der Maske der herrschenden Sitten: diese Maske herunterzureißen ist die edle Aufgabe dessen, der sich dem Theater verschreibt. Ob er nun lachend oder weinend moralisiert... Man kann die Menschen nur verändern, indem man Ihnen zeigt, wie sie sind. Die wirksame, wahrhaftige Komödie ist keine verlogene Lobeshymne, kein hoher akademischer Diskurs.

Inhaltangabe:

Susanne, die Kammerzofe der Gräfin, und Figaro, Kammer­diener des Grafen, sind verlobt und denken an ihre Heirat, die noch der Zustimmung des Grafen bedarf. Doch der Graf hat ge­wisse Absichten auf die schöne Zofe. Zwar hat er offiziell auf das Recht der ersten Nacht verzichtet, aber bei Susanne möchte er trotzdem gerne davon Gebrauch machen. Figaro be­schließt, seinen Herrn mit allen Mitteln zu überlisten.

Doktor Bartolo, jetzt Arzt im gräflichen Schloss, und die Beschließerin Marcellina sind gegen die Heirat Figaros, weil er ihr für die Summe geliehenen Geldes die Ehe versprochen hat. Bartolo verspricht Marcellina seine Unterstützung, da sie einst seine Geliebte war. Der junge Cherubino klagt der Freundin Susanne sein Leid: er ist in alle weiblichen Wesen im Schloss verliebt, vor allem in die Gräfin. Als der Graf naht, versteckt er sich schnell hinter einen Sessel und wird nun Zeuge der gräflichen Liebeswerbungen um Susanne. Später verspricht der Graf Susanne und Figaro ihre Hochzeit mit großem Aufwand zu feiern, hofft aber, dass Marcellinas Argumente ihm Susanne doch noch gefügig machen.

Im Schlafgemach der Gräfin wird der Plan geschmiedet, der den Grafen in die Arme seiner Gattin zurückführen soll. In einem anonymen Brief wird dem Grafen mitgeteilt, dass die Gräfin im Garten ein Rendezvous habe. Susanne soll zum Schein dem Grafen ebenfalls ein Rendezvous gewähren, zu dem Cherubino in deren Kleidern erscheinen wird. Der Page erscheint jetzt zur Anprobe. Als Susanne mit der Verkleidung beginnt, pocht der Graf an die verschlossene Tür. Der Page versteckt sich in dem Kabinett und Susanne verbirgt sich hinter einem Vorhang. Der Graf, erregt über das anonyme Briefchen, ist vor allem über das verschlossene Kabinett misstrauisch; die Gräfin behauptet, Susanne zöge sich darin ihr Brautkleid an. Als die Beiden für einen Augenblick den Raum verlassen, lässt Susanne schnell Cherubino aus dem Kabinett heraus, der mit einem Sprung aus dem Fenster entkommt. Statt seiner begibt sich Susanne in den verdächtigen Raum.

Nach der Rückkehr des gräflichen Paares gesteht die Gräfin, dass der Page in dem Kabinett verborgen sei. Zu aller Überraschung tritt aber Susanne aus dem Zimmer. Dem Grafen bleibt nichts anderes übrig als um Verzeihung zu bitten. Da treten Marcellina und Bartolo auf: Sie verlangen, dass das Eheversprechen, das Figaro Marcellina gegeben hat, sofort eingelöst werde oder er sofort das Geld bezahlen müsse. Nichts kommt dem Grafen gelegener und wieder wird die Hochzeit aufgeschoben.

In der Zwischenzeit hat die Gräfin einen neuen Plan geschmiedet: Susanne soll mit dem Grafen ein Rendezvous verabreden, bei dem aber die Gräfin in Susannes Kleidern erscheinen wird. Doch da der Graf diese List teilweise durchschauen kann, als er nämlich hört, wie Susanne Figaro zuruft: "Unsere Hochzeit ist gesichert", steht den beiden immer noch Marcellinas Prozess im Wege, bei dem der Graf das Urteil spricht. Doch bevor das Urteil gefällt ist, stellt sich heraus, dass Marcellina die Mutter des Findelkindes Figaro ist und der Vater kein geringerer als Bartolo. Nun bahnt sich eine Doppelhochzeit an, die noch am selben Tag vollzogen wird. Doch Figaro beobachtet, wie Susanne dem Grafen ein Billett zur Festlegung des Rendezvous überreicht. Er ist vor Eifersucht völlig außer sich, auch seine Mutter kann ihn nicht beruhigen. Nachdem er zu guter Letzt auch noch erfahren hat, wo das Treffen stattfinden soll, holt er Zeugen, die er im Garten versteckt. Die Gräfin und Susanne erscheinen mit vertauschten Kleidern; das Verwechslungsspiel kann beginnen. Die Gräfin wird von ihrem Mann glühend umworben, der sie in­folge der Verkleidung für Susanne hält.

Figaro bestürmt - aus Eifersucht- die vermeintliche Gräfin mit seinen Liebeserklärungen, bis Susanne sich zu erkennen gibt und ihm ein paar Ohrfeigen für seine Unverschämtheiten verteilt. Sie spielen gemeinsam dem zurückkehrenden Grafen eine Liebeskomödie vor, der der Graf wütend ein Ende breitet, weil er der "Gräfin" Treuebruch nachgewiesen zu haben glaubt. Susanne gibt sich wiederum zu erkennen, die Gräfin tritt aus dem Pavillon; dem um Verzeihung bittenden wird die großmütig von allen Anwesenden gewährt.

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