Biographische Notizen: F.J. Raddatz zu Botho Strauß
Paare, Passanten, ausgewählte Texte
Unüberwindliche Nähe - Gedicht
Impressum,
Texte und deren Zusammenschluss: Stephanie Kratz, Jochen Fleuchaus
Layout / V.i.S.d.P. Jochen Fleuchaus
Wir danken Herrn Schmitz für seine freundliche Unterstützung unserer Aufführung!
BIOGRAPHISCHE NOTIZEN
ANMERKUNGEN ZUR " TRILOGIE DES WIEDERSEHENS "
BOTHO STRAUß, 1944 in Naumburg/Saale geboren, Studium der Germanistik, Theaterwissenschaft und Soziologie in Köln und München, von 1967-197o Kritiker und Redakteur der Zeitschrift "Theater heute“, danach Dramaturg an der Schaubühne am Halleschen Ufer Berlin. Lebt jetzt als freier Schriftsteller in Berlin
Fritz J. Raddatz zu Botho Strauß
" Der Schlaf der Liebe gebiert Ungeheuer ". Dieses Motto des Stückes Kalldewey, Farce aus dem Jahre 1981 lässt sich als Schlüssel zum Werk Botho Strauß' benutzen. Das Personal von Botho Strauß' Stücken sind nämlich diese Ungeheuer, die Situation seiner Prosa zeigen diesen Schlaf - und seine Arbeiten insgesamt sind Verlustanzeige und Elegie zugleich ; nur, dass seine spezifische Form der Klage eine sich kühl diagnostizierend gebende Bestandsaufnahme ist.
Die Kälte - die Kritiker engagierter Linkspositionen dem Autor Botho Strauß gelegentlich vorwarfen - ist nicht die seine, sondern die einer Welt, die er festschreibt. Die ziemlich komplizierte Dialektik aller Texte von Strauß besteht darin, dass er nicht nur Gefühle gegen den Verstand prallen lässt, sondern Gefühle gegen Gefühle zumeist die in ein und derselben Person. Dadurch entsteht eine Welt der Absurdität, die zwar wie fahles Licht die Konturen der unseren, realen durchscheinen lässt, die aber zugleich eigenen, alogischen Regeln folgt. Botho Strauß beschreibt nicht soziale Mechanismen - also die Produktionsweise unserer Gesellschaft -, sondern er weist die Resultate vor: Resultate wie Marlies, Susanne und Moritz
Anmerkungen zur „TRILOGIE DES WIEDERSEHENS“
Sommer 1975/Mitglieder und Freunde des Kunstvereins auf der Vorbesichtigung einer Ausstellung. Die Szenenbemerkung lässt einen Diskurs über Malerei erwarten, doch der Zuschauer ahnt, dass weniger das Kunstverständnis als vielmehr das Realitätsverhältnis der Figuren im Spiel "geprobt" werden. Die "geschlossene Gesellschaft" flaniert und parliert im geschlossenen Raum, der die Vorgänge konzentriert allerdings auch die Außenwelt ausschließt. Die erzählbare Fabel ist minimal und erscheint banal. Als das Ausstellungsverbot bekannt wird, formieren sich Fraktionen. Manche billigen die Zensur, die Moritz, den Direktor des Kunstvereins, veranlasst, das eine und andere Bild abzuhängen, und das zum Gegenstand der Beschuldigung gemachte Bild sich trotzig umzuhängen. Eine Drohung, die nicht von staatlichen Organen, sondern vom einflussreichen Vereinsvorstand ausgesprochen wird, und die verwirrte Reaktion der Anwesenden darauf - darin erschöpft sich die Bühnenhandlung. Man redet und redet, sagt wenig zur Sache, doch ungewollt viel über sich.
Die Handlungsschwäche wird also nicht von der Sprachsubstanz ausgeglichen, sie ist vielmehr das Indiz für das verarmte Gefühl, das das Gerede vergeblich zu bereichern sucht. Eine Chronik von Zuständen läuft ab in 19 Bildern gesammelt. Die Personen der Trilogie bieten reichlich Stoff für Kritik an der Gesellschaft. Strauß stellt keine Karikaturen auf die Bühne, auch wenn er manche Gewohnheit der Ironie und manches Klischee dem Spott preisgibt. ( "Ja , gemalt wie aus dem Fenster" ; "Wenn er nur kein Radikaler ist" )
Die Qualität der Trilogie bewährt sich im psychographischen Realismus, mit dem unser Alltag erfasst wird.
Die Signatur unserer Zeit: undeutlich, ihr Charakter: uncharakteristisch zu sein.
Man liefert sich lediglich dem flüchtigen Augenblick aus , und da der erfüllte Augenblick verfehlt wird , breitet sich mit der Gewohnheit Langeweile aus, jene Krankheit, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der europäischen Literatur als Thema zu finden ist.
Man lebt vom Warten, das seinen Grund im Ungenügen an der Gegenwart hat, ohne dass man ein verbindliches Ziel in der Zukunft benennet könnte. Ein Mensch ist, so schreibt Friedrich Schlegel, charakterisiert durch die Bestimmtheit seiner Sehnsucht. Die Sehnsüchte in der Trilogie sind vage und mäßig. " Wir warten. " " Aha - worauf ? ... Hm ? - Keine Antwort . Na schön. "
Die Grunderfahrung der Figuren von Botho Strauß ist der Abschied , der schon am einer Anfang einer Beziehung steht. Die Trilogie kennt keine erfüllte Liebe - nur Annäherungen und Entfremdungen, oberflächliche Bekanntschaften.
Das Lebens Defizit der Figuren äußert sich folgerichtig in ihren verkümmerten oder missglückten Bezügen zum Ich und zur Welt. Daher wehrt sich Moritz zu Recht gegen den Vorwurf, es fehle seiner Ausstellung an Zusammenhang. " Wo gibt es schon Zusammenhang, mein Gott ,?" Was den Menschen fehlt, kann die Kunst nicht fingieren.
" Gute Beziehung " ist der Schlussteil der Trilogie überschrieben. Die Ironie ist offenkundig. Botho Strauß liefert mit seiner Trilogie keine wesentlichen formalen Neuerungen, doch ein Psychogramm unserer Zeit, die ihrer eigener Gesellschaft überdrüssig ist. Das Stück kommt ohne Extreme und Exzentriker aus; indem es Normalität vorstellt, demonstriert es, wie anomal man ist, wie selbst und weltverloren am Leben vorbeigelebt wird.
Die großen Konflikte machen kleinen Querelen Platz.
Die Zeit ohne Eigenschaften ist angebrochen. Die Utopien sind aufgebraucht, die entschiedenen Leidenschaften erschöpft. Im Jargon der Zeit nach 197o: Von der Emanzipation blieb fast nur die Frustration übrig.
BOTHO STRAUß : PAARE PASSANTEN
Ausgewählte Texte
Es ist lachhaft ohne Glaube zu leben. Daher sind wir voreinander die lachhaftesten Kreaturen geworden und unser höchstes Wissen hat nicht verhindert, dass wir uns selbst für den Auswurf eines schallenden Gottesgelächters halten.
Welch undurchdringliche Mattheit rückt von der Bühne vor in unsere Herzen und Köpfe! Welch törichter, hilfloser und dreister Umgang mit "Realität" verödet die Theaterbühnen! Es müsste einer kommen, der eine ganz andere Sprache spricht. Einer, der aus wohlerwogener Ferne, von weit jenseits der uns bekannten Kunstkontinente herüber kommt, und wirklich etwas sucht auf dem Theater, das sonst nirgendwo zu finden ist.
Ein Pirat nach langer, viele Jahre währender Schatzsuche, die Überall in der Wirklichkeit vergeblich blieb, und das Theater ist das letzte Gestade, dem er zutreibt, die letzte Hoffnung für ihn, in dessen Nähe seine innere Stimme plötzlich aufschreit: "Heiß!....Heißer!" und er umkreist das Versteck, den sicheren Schatz immer enger kommt immer näher und näher...und der Schatz, den er hebt, ist von solcher eigenen Substanz , dass sie stolz und funkelnd neben der anerkannten Wirklichkeit zu bestehen vermag.
Er sagt: "Ich suchte etwas, das unter Menschen nicht zu finden war“!
Homer nennt den dünnen Klang der Stimme des Totenschattens ein trizein - ein Zwitschern, ein Zirpen. Daran wird man erinnert, wenn man durch die Straßen geht und das hohe Piepen der Fernsehbildröhren hinter den Fenstern hört.
Trilogie des Wiedersehens Theaterstück
Erster Teil: Kleine Gesellschaft
Zweiter Teil: Niemand Bestimmtes
Dritter Teil: Gute Beziehung
Personen und ihre Darsteller:
Susanne, |
42 |
Stephanie Kratz |
|
Moritz , |
37 |
Direktor des Kunstvereins |
Christopher Schmidt |
Answald, |
30 |
Schauspieler |
Christian Schleicher |
Elfriede, |
35 |
Kieperts geschiedene Frau |
Anne Blankenberg |
Kläuschen, |
11 |
ihr Sohn |
Carsten Eich |
Lothar , |
40 |
Arzt |
Jochen Fleuchaus |
Ruth , |
31 |
seine Frau |
Claudia Bendig |
Marlies, |
29 |
Malerin |
Marion Winter |
Felix , |
35 |
ihr Freund, Verkaufsleiter |
Elmar Ruzicska |
Johanna, |
29 |
Beate Maaß |
|
Richard, |
39 |
Drucker |
Zoltan Budai |
Viviane, |
61 |
Drogistin |
Dina Spiegel |
Peter , |
26 |
Schriftsteller |
Petra Nagel |
Wärter |
Stephan Ruser |
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Kiepert |
Sabine Sievers |
||
Stab: |
|||
Beleuchtung |
Jörg Ebel, Olav Sehlbach |
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Bühnenbild |
Manuela Eickelmann, Sabine Jonas, Bojan Vuleti6, Monika Wegener, Hartmut Riedel, Martina Pauls |
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Maske |
Susanne Schwan, Sabine Sievers |
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Musik |
Nicole Jouliet, Stephanie Kratz |
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Plakat |
Christopher Schmidt |
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Souffleuse |
Kerstin Lichtermann |
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Regie |
Horst Riemenschneider |
Das Bühnenbild und die Kostüme wurden unter Mitwirkung aller Mitglieder der Theater-AG entworfen.
Pause: Mitte des 2. Teils
Wir über uns
Jubiläen erweisen sich immer wieder als geeignete Anlässe, bisher unbekanntes und teilweise überraschendes an die Öffentlichkeit zu
bringen.
So auch das 5-jährige Bestehen der Theater - AG des Lise Meitner Gymnasiums.
"Romulus", "Hofmeister","Figaro 1&2" - Stationen einer Reise durch die unerschöpfliche Welt der Theaterstücke.
So groß die Auswahlmöglichkeit jedes Jahr ist so schwierig ist sie auch. Diesmal zeigte es sich besonders, wie diffizil es sein kann, die verschiedenen Vorstellungen von Regisseur und den einzelnen Akteuren auf ein Stück zu vereinen.
Am Schluss siegte "Trilogie des Wiedersehens" von Botho Strauß.
Damit starteten wir zugleich den Versuch, einen modernen Stoff zu interpretieren und brechen mit der Tradition, große, aufwendige Kostümstücke auf die Bühne zu stellen.
Es war eine Herausforderung für uns alle, zu probieren, ob man als Laie auch einem niveauvollerem gesellschaftskritischem und somit, unserer Meinung nach, schwierigerem Stück die nötige Portion Leben einhauchen kann.
Nun, es wäre vermessen und überheblich zu sagen, wir sind nicht umsonst 5 Jahre alt geworden, werden auch dieses Mal versuchen nicht zu versagen - eines aber kann ich Ihnen versichern, im Namen aller Mitwirkenden, wir werden wie jedes Jahr unser Bestes geben, wollen versuchen, alles um uns herum zu vergessen, um uns voll mit der Rolle zu identifizieren und ihnen beweisen, dass Schule Spaß machen kann, dass es immer Möglichkeiten gibt und hoffentlich geben wird, Schule mehr sein zu lassen als eine bloße Lehranstalt.
Engagement und (bisweilen unentdecktes) Talent ergänzen sich so zu einer Erfahrung, die es allein schon wert ist, konsequent an einem Produkt zu arbeiten - nämlich herauszufinden, wo die Grenzen des Einzelnen liegen.
"Trilogie des Wiedersehens" betrachten wir als die 5. Etappe auf dem langen Weg zum Ziel, das darin bestehen sollte, zu zeigen, es geht auch anders, wenn man will!
Einen schönen Abend, gute Unterhaltung und herzlichen Dank dafür, dass Sie heute hier sind, wünscht Ihnen ihre Theater - AG.
J. Fleuchaus
Ausgang ins Museum, Treffpunkt zur Trennung
Seite an Seite, unüberwindliche Nähe
das Zimmer ihres Sehens, jeder Blick ein gerade noch
vermiedener Anblick.
Am Ende des Rundgangs, kurz vor der Wiederholung,
im Spiegel einer aufgeschlagenen Hand,
auf vorgeschobenem Knie,
es lockt in Erschöpfung, das Gewähren.
Mir gilt nichts.
Spätnachmittagsruhe einer verlorenen Einladung, sich auseinandertasten, gehen.
Ihre stürmische Wiederkehr hat uns beiden die Herzen leergefegt.
Nichts, es ist nichts, murmelt der Vorübergehende, unterbricht eine Begrüßung.
Er sieht, wir sind müde.
Ich bitte, schrei für mich! - Worum schreien?
Und wenn, so gilt es für jedermann.
Brüllen müsste die ganze Stadt.
Sind wir nicht der Kern der Entzweiung, der herrschende Abschied, innige Trennung?
Nun sind wir alle unsere Schritte so getan, dass sie das Ausweglose schufen. Gefestigt ausgeschritten-,
Berichte, die wir in anderer Munde bleiben, von Kämpfen noch und von den Reisen, die plappern weiter vor sich hin.
Bedeutungsloser Jammer.
Ein flüchtig offner Anblick, ein Versehen, und Wachs stehn wir neben Wachsfiguren.
DER MANN :
Es war dies nur ein Spiel mit tieferen Spielen
Nicht wirkliche Magie: nach Katalog bestellte Therapie
Ein Wühlen in der Krabberkiste namens Seele
Restposten, alte Wünsche grün und blau
Spottbillig der Krempel, man wühlt sich
Durch Gelegenheiten, halb gierig, halb interesselos
Und bringt bestimmt was Überflüssiges nach Haus.
Dennoch hab ich viel dazu gewonnen.
Die Kur war schlimm, die Regeln wirr
Doch hätt ich niemals besserne Partner finden können
Als ihr es wart, ihr drei, ihr wart fantastisch
Ich dank euch vielmals, große Könner!